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Interview: „Ich war schon immer eine Frau, habe das aber nie erkannt“

Ich war schon immer eine Frau, habe das aber nie erkannt

Ich bin Evelyn Setzer und arbeite bei Lofty. Ich kam über unsere Mitarbeiterin, Monika Berndt, die in unserer Lofty-Filiale in Köln arbeitet, in Kontakt mit einer langjährigen, sehr lieben Kundin, Hanna Brungs. Sie hat eine äußerst spannende und bewegte Lebensgeschichte, die sie gern mit uns teilt. Sie erkannte erst im Alter von 47 Jahren ihre Transidentität. Transidentität beschreibt ein natürlich bedingtes Phänomen, bei dem die Geschlechtsidentität mit dem nach der Geburt zugewiesenen Geschlecht nicht übereinstimmt.

Ich stelle es mir sehr schwierig vor, zu erkennen, dass man im falschen Körper lebt und dann den steinigen, langen Weg zu gehen, sich offen dazu zu bekennen und letztlich als Frau aufzutreten. Was gab den Ausschlag und wie hast Du das geschafft?

Irgendwann steht man symbolisch gesehen auf einer Brücke und empfände es gar nicht schlimm, zu springen. Da wurde mir klar, dass der Blick in den Spiegel deutlich tiefer gehen muss und ich habe mir psychologischen Beistand gesucht.
In der Therapie wurde nach und nach klar, dass alles, was ich in diesen 47 Jahren empfunden und nicht verstanden habe, im Nachhinein doch in jeder Hinsicht SINN macht. Jede Empfindung anders zu sein, jedes Erlebnis das ich nicht zuordnen konnte, hatte plötzlich eine komplett nachvollziehbare Logik. Die Einnahme der ersten Hormontablette hat dann einen Mantel der vollkommenen Ruhe über mir ausgebreitet, ein Empfinden, dass nun endlich die Natur zu ihrem Recht kommt. Ich war schon immer eine Frau, habe das aber nie erkannt. Das wurde mir in aller Deutlichkeit klar und genau das hat dann ja auch mein Leben vollumfänglich erklärt.

Die ersten Schritte sind getan, wie lebt es sich nun damit?

Ich wurde in der Vergangenheit immer als Mann mit sehr weiblichen Zügen wahrgenommen – es war nie ein Problem für mich, damit umzugehen und nach außen zu treten. Als ich dann aber zum ersten Mal wirklich als FRAU und entsprechend gekleidet nach draußen gegangen bin, hatte ich doch weiche Knie! Und was soll ich sagen, nach dieser Überwindung hat sich alles so stimmig und passend angefühlt, ab diesem Moment gab es für mich kein Zurück mehr.

Es gibt sicherlich weitere innere Konflikte, oder?

Das ist dreigeteilt: Mein Verstand hat es mittlerweile akzeptiert, mein Herz jubelt, weil sich endlich alles richtig anfühlt, aber meine Seele knabbert noch sehr daran und braucht noch viel Zeit…
Außerdem ist es noch immer ein Wagnis, morgens vor den Spiegel zu treten und mich abends beim ins Bett gehen ohne Perücke zu zeigen. Es fühlt sich dann einfach fremd an.

Wie hat dein privates Umfeld vor und nach deinem Outing auf dich reagiert?

Im Freundeskreis gab es nur wenige Fälle, die mein „auch optisch zur Frau werden“ schwer akzeptieren konnten. Es gab zwar schon Aussagen im Stil von „Für mich bist und bleibst Du ein Mann…“ Aber von einigen, die ich 30 Jahre kannte kam auch durchaus: „Endlich hast Du es kapiert, ich habe schon vor vielen Jahren gesehen, dass Du eine Frau bist, endlich wagst Du den Schritt und lebst es auch“. In meiner Familie gab es viel Toleranz, aber auch hier war leider, wenn auch nur vereinzelt festzustellen, dass die „Toleranz“ nur so weit geht, solange es eben nicht in der eigenen Familie vorkommt.

Wie hat dein berufliches Umfeld nach deinem Outing reagiert?

Weißt du, als ich verstanden habe was Sache ist, hab ich auch realisiert, dass ich nun in einer Gesellschaft lebe, die mich bestenfalls als Exot und schlimmstenfalls als psychisch krank wahrnimmt. Alles, was ich vorher geleistet hatte war ja nun, nachdem ich mich als trans* geoutet hatte, nichts mehr wert. Wie sollte ich damit umgehen, das war ein großes Problem. Ich versuchte ganz naiv, mein Frau-Sein aus dem beruflichen Kontext rauszuhalten und weiter als der Mann, der ich nie war, arbeiten zu gehen. Wie gesagt, das war zu diesem Zeitpunkt noch sehr naiv, denn nun fühlte ich mich wirklich täglich verkleidet, wenn ich zur Arbeit ging. Und glaub mir, dieses „Kostüm“ war kratzig, dreckig und unbequem, auch wenn es außer mir keiner gesehen hat. Hier wurde mir klar, dass ich weiterziehen musste. Ich brauchte einen neuen Job. Leider war bis dato weder rechtlich noch sonst irgendwie meine Anpassung angestoßen. Ich fasste dann aber trotzdem den Entschluss, mich als die Frau, die ich bin und immer schon war, auf neue Angebote zu bewerben. Das hat dann zwar etwas gedauert, bis ich Rückmeldungen bekam, aber es hat funktioniert. So startete ich bei meinem jetzigen Unternehmen. Ich hatte das große Glück, dass mein Manager, der mich eingestellt hatte, eine Schwester hat, die damals nicht sicher war ob sie ein Mann ist oder einfach „nur“ lesbisch. Damit war er voll in der Thematik und wir haben uns zehn Minuten über den Job unterhalten und den überwiegenden Teil der Gesprächszeit privat. Keine Frage – ich hatte einen guten Start und habe vier-fünf Wochen später bei meinem heutigen Arbeitgeber anfangen. Ich war sehr dankbar und hätte damals jeden Job angenommen. So bin ich im Unternehmen ganz unten eingestiegen und über die Zeit erkannte mein Chef, dass ich um einiges höher qualifiziert bin. Heute bin ich im 8. Jahr – gestartet bin ich als Night Audit im Unternehmen. Über verschieden Stationen, u. a. als Empfangs- und Restaurantleiterin, Standortleiterin mit einem 21-köpfigen Team usw. bin ich heute Diversity-Managerin des Unternehmens. Spannend für mich ist zu erwähnen, dass ich in meiner Zeit als „Mann“ bei Gehaltsverhandlungen nie für mich einstehen konnte. Ich war nicht in der Lage meinen Wert zu erkennen und entsprechend zu verhandeln. Erst seit ich verstanden habe, dass ich Frau bin, kann ich so selbstbewusst auftreten und für mich einstehen.

Wie ist Deine allgemeine Erfahrung im Alltag. Fühlst Du dich akzeptiert?

Ja, voll und ganz. Ich habe mich irgendwann zu Beginn meines Weges gefragt, ob ich denn auch wirklich weiblich genug wahrgenommen werde. Dann habe ich mich daran erinnert, dass ich ja bereits „als Mann“ schon sehr viel Weiblichkeit ausgestrahlt habe und habe das Thema damit für mich komplett abgehakt. (Anmerkung von Evelyn Setzer: Das kann ich voll bestätigen – ich sitze im Gespräch, wenn auch leider nur online, ohne jeden Zweifel einer wunderbaren Frau gegenüber). Lediglich an meiner Stimme musste ich noch etwas arbeiten. Ich habe mit meiner damaligen Kollegin, einer ausgebildeten Logopädin, nach dem Stimmtraining mal ein Handyvideo von uns beiden aufgenommen – und was soll ich sagen – das Video zeigte in Mimik, Optik und Gestik zwei Frauen  Trotzdem sind 47 Jahre unter Testosteron-Einfluss körperlich nicht zu verstecken, deswegen heißt mein Friseur eben seit vielen Jahre Lofty.

Wie kamst Du auf Lofty Perücken und was gefällt Dir bei Lofty besonders?

Durch Empfehlung meiner Selbsthilfegruppe kam ich vor ca. 10 Jahren in die Filiale Düsseldorf, wo ich eine sehr einfühlsame Beratung erfuhr. Dort kaufte ich meine erste „Maren“ und war schon damals sehr zu frieden. Irgendwann kam ich dann in die Kölner Filiale und bin bis heute mit Frau Berndt sehr gut und freundlich beraten. Heute trage ich das Modell Malou, einen schicken Longbob, mit dem ich mich sehr wohlfühle.

Hast Du irgendwelche Wünsche, die Du gern an Lofty adressieren möchtest?

Das wären zum einen mehr Frische und Jugendlichkeit bei den Perückenmodellen und zum anderen etwas mehr Auswahl bei größeren Kopfumfang-Größen.

Wir von Lofty danken Hanna Brungs für das sehr freundliche und spannende Gespräch und den tiefen Einblick, den sie mit uns teilt. Es war uns eine Freude, eine so tolle und offene Frau kennenzulernen und sie weiterhin als Kundin schätzen zu dürfen. Wir haben in unserem Sommerkatalog, der in Kürze erscheint viele neue Trendhair-Modelle mit aufgenommen, die für mittlere bis große Kopfumfänge geeignet sind.

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